Die (echte) Verkörperung des Wortes "Gentleman"
Aktuell genießt das Wort "Gentleman" in unserer Branche einen höheren Kurszuwachs als der Bitcoin im gesamten letzten Quartal – und wenn etwas derart in die Höhe schnellt, dass selbst der Barbier von „Chancen auf dem internationalen Markt“ spricht, gebietet es einem der gesunde Menschenverstand, die Dinge mal zu hinterfragen.
Somit stellen wir uns heute der schweren Frage: Was zeichnet einen echten Gentleman aus?
Nun, wie ein altes Sprichwort sagt: "Sei nicht weise in Worten, sei weise in Taten“ – so ist auch ein wahrer Gentleman jemand, dessen Taten mehr als Worte sprechen.
Es ist die seinsbegründende, urbildhafte Form der Sichtweise auf die Welt und die damit einhergehende Lebensweise, die einen wahren Gentleman schmückt.
Sein beispielloses Verhalten ist niemals durch das Lob seiner Mitmenschen angeleitet, sondern basiert auf seinem persönlichen platonischen Ideal – welches den Umgang mit Mitmenschen sowie das Grundverständnis für die menschliche Natur als leitende Idee zugrunde gelegt hat.
Dadurch und nur dadurch wirkt ein Gentleman natürlich und vor allem authentisch.
Leider gibt es heutzutage nur noch wenige, die diesem Ideal folgen. Doch diejenigen, die es tun, hinterlassen ein Vermächtnis, welches noch lange nach ihrem Tod Bestand hat.
Heißen Sie den unnachahmlichen Leo Grasso willkommen: Grandseigneur, Charmeur, Bonvivant aus einer längst vergangenen Zeit, der im Laufe der Jahrzehnte vieles von dem Besten repräsentierte, was die italienische Schneiderkunst zu bieten hatte und hat.
Ein Mann von seltener sartorialer Sensibilität
Leo, der seit den 70er Jahren als Handelsvertreter in der Modebranche tätig war, arbeitete im Laufe seiner jahrzehntelangen Karriere ausschließlich mit Manufakturen zusammen, deren Wurzeln in handwerklicher Qualität und klassischem Stil zu finden sind. Dazu gehörten Marken wie Sozzi, Tie Your Tie, K-Jacket, Stile Latino, Casto, Bensusan und auch Saint Crispin's.
Am bemerkenswertesten war jedoch seine Zeit als Verkaufsleiter von Cesare Attolini – durch die eine Freundschaft zu Michael Jondral entstanden ist.
Wenn es um Kleidung ging war Leo ein Mann von außergewöhnlichem Geschmack.
Michael Jondral erinnert sich an die Leichtigkeit, mit der er interessante und einzigartige Farben kombinierte. Auch an seine Vorliebe für Nadelstreifen Flanell Anzüge, Prince of Wales-Karos und natürlich Tweeds.
Kein Ensemble war vollständig ohne die entsprechenden Details: stets griffbereit das Stofftaschentuch in der Hosentasche, seine klappbare Hornbrille (oft in einer Hermes Ledertasche untergebracht, die um seinen Hals hing) und ein Zippo-Feuerzeug, das an einem Lederband befestigt und in seiner rechten Tasche aufbewahrt wurde.
Die Definition von "Casual" bestand aus Chinos und Chukka-Boots – in der Regel sandfarben und von Saint Crispin's aus einem Kudu-Wildleder gefertigt.
Für die Anlässe, die eine formellere Kleidung erforderten, war er oft in einem Anzug mit Nadelstreifen und Double-Monks von Saint Crispin’s zu sehen.
Leo strahlte Eleganz aus - die Art von müheloser Eleganz, die zum Synonym für Italien geworden ist. Die Art, die dem Wort "sprezzatura" und dem lässigen italienischen Anspruch eine gewisse Legitimität verleiht.
Doch nur die Kleidung macht den Menschen nicht aus – und schon gar nicht einen Gentleman. Kleidung ist lediglich eine Erweiterung der zu Anfang erwähnten platonischen Idee.
Denn wie Hemingways einst schrieb, machen die Manieren uns zum Menschen…
Ein echter Gentleman
So wurde für Leo das Rauchen zu einem kulturellen Akt. Immer wenn eine Dame anwesend war, war sein Feuerzeug – charmant an einem Lederriemen in seiner Tasche befestigt – immer griffbereit zur Stelle um ihre Zigarette anzuzünden. Und glauben Sie uns – niemals war eine Dame schneller als Leo!
Es war eine Wohltat diesen Herren um sich herum zu haben. Wir müssen wohl nicht erwähnen, dass er Damen stets die Tür öffnete, beim Betreten eines Raums dafür sorgte, dass ihr Glas Wein immer voll war, und sie danach mit seinem Charisma verwöhnte?
Einen wahren Gentleman erkennt man eben an den alltäglichen Dingen – daher auch die Parallele zum platonischen Ideal. Nachdem er schon von seiner Krankheit befallen war, besuchte Michael Jondral ihn noch einmal in seiner Heimat in Umbrien und konnte auf seinem kleinen Landgut den waren Stil dieses Mannes kennenlernen.
Schon am Stock, doch immer perfekt gekleidet, führte er Michael Jondral durch seinen Garten, in der wunderbaren Gesindeküche wurde ein Glas Wein getrunken und seine Gästezimmer zurecht bestaunt, waren diese doch geschmackvoller eingerichtet als in einem 5-Sterne Hotel.
Beiläufig darf nicht unerwähnt bleiben, dass er einen cremefarbenen 356er Porsche sein Eigen nannte, welchen er mit einem Sisal Teppich ausgestattet hatte. Made by Leo – of course!
Und so sind es eben die Vielzahl an Kleinigkeiten die einen wahren Gentleman auszeichnen – Kleinigkeiten die von Taten zeugen und nicht von leeren Worten.
Um Michael Jondral selbst zu zitieren: "Leo war den bekannten Stilikonen Hollywoods ebenbürtig, nur er war im wirklichen Leben zuhause“.
Nach kurzer schwerer Krankheit verliess er uns alle im August 2012 und hinterliess eine Lücke. Leo wird uns immer in unserer Erinnerung bleiben als Vorbild des Stils, als Mentor und vor allem als Gentleman.
Nun sagen wir noch einmal arrividerci Leo – wir werden noch oft an dich denken.